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Donnerstag, 14.09. St. Beat:

In der Nacht ist offenbar das Tief aus dem Norden auf das umfangreiche Tiefdruckgebiet Nordspaniens getroffen. Das Ergebnis ist ein nicht mehr endender Dauerregen. Der Morgen zeigt sich dementsprechend trostlos, alles ist grau in grau, von den Bergen ist nichts zu sehen.

Mir ist schnell klar, dass das heute nicht der Tag ist, um über den 2072 m hohen Port de Bonaigua nach Katalonien hinüber zu radeln. Also lege ich mich noch eine Runde in den Schlafsack und döse bei dem notorischen Rauschen des Regens noch lange weiter. Der Campingplatz hat einen recht komfortablen Aufenthaltsraum, den ich für das Frühstück in Anspruch nehme. Angesichts der widrigen Bedingungen entscheide mich für einen Ruhetag in St. Beat und hoffe, dass die Welt morgen besser aussieht.

Ein hoch motivierter Jungspund aus England mit einem etwas knapp kalkulierten Terminkalender will heute unbedingt rüber über den Pass. Im Sommerdress und mit Minimalausrüstung radelt er tatsächlich raus in den Dauerregen. Kopfschüttelnd blicke ich hinter ihm her und sehe ihn vor meinem geistigen Auge klatschnass und frierend hoch obenauf über 2000 m Höhe fluchen. Den Kampf muss anscheinend jeder Radler einmal selber durchstehen. Ich hoffe nur, dass es ihm nicht gleich schon zu Beginn seiner noch jungen Radlerkarriere die Lust an der besten Art zu reisen so gründlich verdirbt, dass er zukünftig das Auto bevorzugt.

Zeit zum grübeln habe ich heute genug. Außer einem kurzen Gang in den Ort, um Proviant zu besorgen, wage ich mich nicht vor die Tür. Bei Tee und Keksen brüte ich über den Karten und entwerfe Plan B für den Fall, dass sich das Wetter in absehbarer Zeit nicht mehr bessern sollte. Alternativen gibt's schon, aber das würde bedeuten, entweder mit dem Bus die Flucht nach Spanien anzutreten oder mit der Bahn zum französischen Mittelmeer. Beide Varianten behagen mit nicht so sehr, sind aber für den Notfall erwägenswerte Alternativen.

Währenddessen regnet es unaufhörlich weiter, riesige Pfützen verwandeln den Campingplatz in eine Seenplatte. Etwas besorgt wage ich am Nachmittag einen Blick in mein Zelt, um ernüchtert festzustellen, dass das Wasser schon seit geraumer Zeit von unten durch den Boden drückt und die Isoliermatte mittlerweile völlig durchnässt hat - auch das noch! Nun ist handeln angesagt.

Ich frage vorsichtig bei der Chefin des Platzes an, ob ich angesichts der Wetterlage die kommende Nacht im Aufenthaltsraum verbringen könnte. Ohne lange zu zögern gibt sie mir sofort grünes Licht. Im strömenden Regen packe ich die durchnässten Klamotten zusammen, baue das Zelt ab und verfrachte das triefende Zeug in den Aufenthaltsraum. Hier spanne ich alles, was ich an Schnüren finden kann, kreuz und quer durch den Raum. Das reicht, um Zelt, Isoliermatte und alles was sonst noch nass geworden ist, aufzuhängen. Nach kurzer Zeit hat sich unter den Klamotten auf dem Steinboden eine umfangreiche Pfütze gebildet. Trotz des seit mittlerweile 24 Stunden anhaltenden Regens habe ich jetzt zumindest eine Sorge weniger. Nach dem Abendessen baue ich mir hier ein komfortables und vor allem trockenes Nachtlager und hoffe auf bessere Zeiten.

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