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Sonntag, 02.10.: St. Jean du Gard - Florac

Sonntag, 02.10.: St. Jean du Gard - Florac

Ich bin allein hier, es ist herrlich ruhig, aber die Nacht war kalt. Ich habe mir den Wecker gestellt, damit ich bei den bereits sehr kurzen Tagen überhaupt vorankomme. Um acht Uhr wird es plötzlich unruhig auf dem Zeltplatz: wie auf Kommando rollen etliche Lieferwagen auf den Platz, verschlafene und fröstelnde Franzosen steigen laut schnatternd aus ihren Autos und begrüßen sich gegenseitig freudig.

Etwas irritiert werde ich mit meinem Rad und meinem Zelt gemustert. Man klärt mich auch gleich über die Aktion auf: heute findet hier ein überregionaler Bauernmarkt statt. Da fühle ich mich dann doch etwas fehl am Platze. Ich packe zügig meine Klamotten zusammen und mache mich auf die Reise, bevor es hier richtig turbulent wird.

Im Tal bläst mir ein ungemütlich kalter Wind aus den Bergen entgegen. Über den Bergen sieht der Himmel nicht sehr vielversprechend aus. Ein Regenbogen ist untrügliches Zeichen, dass sich in der Luft nicht nur Tau befindet. In St. André mache ich fröstelnd eine kurze Pause. Mittlerweile hat es sich völlig eingetrübt. Hinter St. Andre verlasse ich den Talgrund.

Auf einsamer Strasse geht es jetzt zunächst durch Wald, dann durch offenes Weideland immer weiter aufwärts. Ich überquere mit dem Col Salides einen ersten kleinen Pass und blicke ich ein schönes Hochtal unweit des "Wetterberges" der Cevennen, des 1567m hohen Mt. Aigoual.

Cevennenhochtal am Mt. Aigoual

In Cabrillac erreiche ich die Hauptstrasse und habe von hier oben freien Blick auf die Hochfläche des Causse Méjean. Was sich mir von dort nähert, sieht allerdings alles andere als vertrauenerweckend aus. Eine dunkle Wolkenwand treibt schnell auf mich zu. Schutz oder Unterstellmöglichkeiten gibt's hier nicht. Ich radele weiter aufwärts in Richtung Gipfel des Mt. Aigoual. Oben gibt's das Observatorium und folglich auch Wetterschutz. Kurz vor dem Gipfel erwischt es mich eiskalt: Ein Schneesturm allererster Güte pustet mich fast vom Rad. In meiner kurzen Hose fühle ich mich hier reichlich fehlplaziert. Das Rad auf Kurs zu halten wird äußerst schwierig, meine Finger sind taub von der plötzlichen Kälte. Nebel und beschlagene Brille erschweren die Orientierung.

Irgendwann erreiche ich irgendwie das Observatorium und flüchte mich ins Innere des Gebäudes. Hier wechsle ich meine nassen Klamotten und ziehe alles Warme und Trockene an, was ich im Gepäck habe. Dennoch bin ich so ausgekühlt, dass ich schlottere wie ein Schneider. Die Satellitenaufnahmen auf den Monitoren zeigen erbarmungslos und wissenschaftlich nüchtern an, in welcher Situation ich mich zur Zeit befinde: im Herzen eines ausgedehnten Sturmtiefes bei kuscheligen Temperaturen um die 2°C, schöne Sch…!

Irgendwann lässt der Schneeregen nach und ich stecke vorsichtig wieder die Nase nach draußen. Immer noch schlotternd steige ich auf mein Rad und beginne die Abfahrt. Der Sturm auf dem Gipfelplateau ist immer noch äußerst ungemütlich. Mit tauben Fingern verlasse ich Meter für Meter diese Wetterküche. Erst als ich die 1000-Meter-Höhenmarke unterschreite, wird es zögernd wieder erträglicher. Ganz unten im Tal des Tarnon schäle ich mich Schicht für Schicht aus meinen warmen Regenklamotten. Bei der nächsten Tour nehme ich ganz gewiss auch warme Handschuhe mit - auch nach Südfrankreich!

Am Abend erreiche ich das Städtchen Florac am Tarn. Hier ist der Campingplatz sogar noch geöffnet, so dass ich an diesem Abend eine warme Dusche genießen kann. Dennoch kommt bei Temperaturen um die 8-9°C keine rechte Freude beim Campen auf.

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